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Menschlichkeit, Authentizität und der Moment im digitalen Zeitalter


Kurznachrichten checken, eng getaktete Terminkalender abarbeiten, sich anderen mitteilen so eilen wir durch unser Leben. Technologie hilft uns dieses Rad immer schneller zu drehen. Die Quantität nimmt zu, aber es beschleicht uns auch ein Gefühl, das wir keine neue Qualität erfahren. Wir werden aus der Unmittelbarkeit des Moments, aus der Präsenz im „Jetzt“ gerissen und pendeln in schneller Folge zwischen der Vergangenheit und der Zukunft hin und her. Fokussiertes tun im „Flow“ ist nicht mehr die Regel, es ist die Ausnahme.

Kleinteiliges arbeiten und permanentes umschalten von Bildschirmmasken und dahinter liegenden Arbeitsprozessen zermürbt und raubt Energie. Die Tage der Arbeit die wir so als Menschheit verrichten sind durch die am Horizont aufkommenden neuen Technologien wohl gezählt – und das ist auch gut so.



Doch neben der „Erwerbsarbeit“ gibt es auch noch Bedürfnisse, als Mensch, die uns unbewusst beschleunigen. Das Bedürfnis uns anderen mitzuteilen um Teil der Gruppe zu sein und die latente Angst etwas zu verpassen sind intrinsischen Impulse, welche nur noch durch äußere Reize befeuert werden müssen. Wir sind dann sprichwörtlich „außer uns“.

Die digitale Welt hat uns von Dingen, die wir angreifen können, entfernt. Berührung, Haptik und Sinneseindrücke sind einfachen Gesten gewichen. Eine Sehnsucht nach Dingen, die wir anfassen können, keimt auf, eine Lust „Hand anzulegen“ ist die Folge. Hobbybastler und Heimwerkerprofis alles, was sich berühren lässt steht hoch im Kurs.



Aber Hand anlegen hat auch eine reduzierende Funktion. Es schränkt die Möglichkeiten, welche wir erreichen können, ein. Man hat eine endliche Möglichkeit an Dingen, die man um sich herum „erleben“ kann. Anders in der digitalen Welt, die Anzahl von zB Musiktitel, Filmen, Bilder auf die wir unmittelbar Zugriff haben ist praktisch unbegrenzt.

Diese unbegrenzte Natur des digitalen wirft uns auf uns zurück, aus dem „Kann“ wird ein „Muss“. Schnell stellt sich ein Gefühl des Verpassens ein. Die Folge ist unglaubliche Beschleunigung im Konsum der Erlebnisse. Die Eindrücke werden kürzer und auf das Intensivste verstärkt. Aus einer wohltuenden Schwingung wird ein digitales Geschrei.

Die Aufmerksamkeit des Individuums ist zur wertvollsten Währung aufgestiegen. Wer über sie als Plattformanbieter verfügt, liegt vor der Konkurrenz. Werbung und gezielte Beeinflussung sind nur dem effektiv möglich, der lange genug und immer wieder an die Gehirne der Benutzer rankommt.

In der Hirnforschung spricht man von geistiger Nahrung und davon, dass sich die Koppelung der Synapsen an die Gegebenheiten anpassen. Eine wohltuende Stärkung der Seele durch berührende Erlebnisse, die all dies gedacht waren, weicht dem Exzess und der Sucht. Als Folge gehen wir in unseren eigenen Leben schon mal verloren. Ziellos werden die jeweils stärksten Lustbefriediger angesteuert.

Dem etwas entgegenzusetzen, soll Ziel sein, eine bewusste Reduktion, eine Limitierung, eine Entschleunigung. Ein - bewusstes – sich – Zeit – nehmen. Die Hand ausstrecken nach einem Objekt, bei dessen Berührung die Sinne der Haut spüren, wo ein Temperaturunterschied ist, wie die Oberflächenbeschaffenheit ist, ist sie glatt und gibt uns ein Gefühl der Weichheit oder tritt sie Rauh und mit einer gewissen Härte in unsere Sinne ein. Die Schwere und Träge eines Steins gegenüber der Leichtigkeit von Holz.

Das Spiel der Sinne ist ein Spiel im Moment, kein Rückblick in die Vergangenheit und kein Blick nach vorne, wo wir uns die Zukunft vorstellen. Im Moment steht die Zeit still, denn wir wechseln von der Zeit des Chronos in die Zeit des Kairos. Aus der quantitativen linearen Zeit die wir als dahinfließend wahrnehmen, wird die bewusste qualitative Zeit, die kein fließen kennt. Ein wohltuender Wechsel in der unsere Seele zur Ruhe und zur Kraft kommt. Eine Energie, welche uns immer umgibt, die wir aber oft nicht mehr sehen im Lärm des Geschreis um unsere Aufmerksamkeit.



Schließt man die Augen lässt sich der Effekt noch verstärken, da die verbleibenden Sinne geschärft werden. Das Tor zur Verbundenheit geht ein Stück weit auf. Was ist diese Verbundenheit, von der dieser Tage oft die Rede ist, was verbirgt sich dahinter? Es ist die Sehnsucht unserer Seele von uns selbst wieder gehört zu werden! Effizient und kühle Berechnung, Rücksichtslosigkeit und streben nach Einfluss und Macht stärken das Ego, töten aber zugleich die eigne Identität, dass – selbst – immer weiter ab.


Authentizität weicht der Funktionalität.


Menschen funktionieren nur mehr. Nun sind wir im Schlüsselmoment angekommen.


Mit der künstlichen Intelligenz kommt ein unglaublich leistungsstarkes Werkzeug auf uns zu, dass in der Dimension der Erfindung des Buchdrucks gleicht. Um mit dem Werkzeug umgehen zu können, um es für unsere individuellen Zwecke nutzen zu können müssen wir uns selbst erst rüsten und das bedeutet lernen Mensch zu sein, lernen authentisch zu sein. Die Jahre in denen wir in Schulen zu Maschinen gemacht wurden sind vorbei. Die Maschinen brauchen uns Menschen wie wir auch ohne sie nicht sein wollen.

Der Weg zurück zur Authentizität beginnt damit sich selbst wieder wahrzunehmen. Mit dem Berühren und dem Bewussten – im – jetzt – sein, beschränken wir uns auf das Objekt, das wir in Händen halten. Wir müssen mit unserem Geist bei den Sinnen sein und sind damit im Moment und ganz bei uns. Diese Einschränkung, ist eine Befreiung von allen Optionen, die wir sonst hätten. Es ist die Grundlage für eine Verbundenheit mit Menschen um uns herum und mit der Umwelt.



Erst dann sind wir wieder frei als Mensch und erst dann passiert etwas mit uns. Wir werden wieder das, was wir bei Geburt schon waren, Entdecker! Entdecker die als kleines Kind die Welt kennen gelernt haben, die Lösungen gefunden haben, um sich weiterzuentwickeln. Es geht nun wieder darum sich weiterzuentwickeln, und zu lernen Bedürfnisse zu erkennen. Und genau da liegt auch der Schlüssel für die nächste Idee. Das nächste Business, das den Wohlstand ein klein wenig anzuheben vermag, eine Geschäftsidee die Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.


Um genau das geht’s – sonst ist alles Nichts.

 
 
 

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